Mittwoch, 21. Dezember 2011

Folge 3: Mach es nicht selbst

Die Hamburger Band Tocotronic hat mich mit ihrer neuen Single „Mach es nicht selbst“ an ein ganz wichtiges Thema erinnert: Ich liebe das Handwerk. Egal, ob hämmern, schrauben, bohren, streichen. Meine Liebe geht so weit, dass ich diese Freude mit meinen Mitmenschen nicht nur teile, sondern sie ihnen gleich ganz überlasse. Mein gestörtes Verhältnis zum „Selbermachen“ begann vor vielen Jahren, als ich meine erste eigene Wohnung bezog. Am Tag des Einzugs wollte ich abends noch schnell ein Lampen-Seil-System anbringen. Voll motiviert, mit Zollstock, Bleistift, Leiter und Bohrmaschine bewaffnet, schritt ich zur Tat. Akribisch wurde ausgemessen, kontrolliert und angezeichnet. Leider war auf der Höhe meines geplanten Bohrlochs eine Verteilerdose sehr im Weg. Also wieder rauf auf die Leiter, neu vermessen, wieder kontrollieren und anzeichnen. Nun war alles perfekt, nun konnte ich der Wand zu Leibe rücken. Oben auf der Leiter, den Bohrer noch schnell auf die höchste Stufe gestellt, setzte ich das Gerät an und bohrte. Erst ging es schwer, dann ganz leicht und dann ging überhaupt nichts mehr. Heftiger Funkenregen und ein lauter Knall erreichten meine Synapsen erst, als ich mit meiner Bohrmaschine im Arm auf dem Boden aufschlug. Benommen rappelte ich mich auf und traute meinen Augen nicht: Ich hatte direkt in ein dickes Stromkabel gebohrt und somit die Elektrik im gesamten Haus lahm gelegt. Meine neuen Nachbarn hatte ich damit gleich zu meinen besten Freunden gemacht. „Schöne Sch…, die Sie hier veranstalten, Sie Depp!“ war noch das freundlichste, was ich an diesem Abend hörte. Irgendwie interessierte es keinen, dass ich fast mein Augenlicht verloren hätte, dass der Sturz von der Leiter mir eine schmerzhafte Steißbeinprellung verursachte hatte und mein Selbstwertgefühl im Keller war. Hilfe kam von meinem Vater. Der stemmte die Wand weiter auf, reparierte das Kabel fachmännisch. Er war der Held des Abends, auch für meine Nachbarn. Mit der stolzgeschwellten Brust des erfolgreichen Heimwerkers verließ mein Vater das Schlachtfeld und sprach die mahnenden Worte „Junge, mach sowas besser nicht mehr. Hol dir professionelle Hilfe!“ Zu Weihnachten im selben Jahr bekam ich ein „Kabelsuchgerät für Selbermacher“ geschenkt. Dieses liegt heute noch ungeöffnet im Keller. Und wie ich beim Lösen der Tapete von der Decke (sowas war in den 70er- und 80er-Jahren modern) nach zwei kräftigen Stößen mit der kompletten rechten Oberkörperhälfte samt Spachtel in der alten Lehmdecke verschwand, erzähle ich ein anderes Mal. Oder nie.
Bild: Stefan Bayer  / pixelio.de

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