Donnerstag, 22. Dezember 2011

Folge 9: Einkaufsvergnügen Kaufinger Straße, München

Letzte Woche war ich beim Einkaufen in München. Es ist nicht der Ort, der Umstand oder die Zeit, über die ich Ihnen heute berichten möchte. Nein, es ist ein Phänomen, welches mir aufgefallen ist: Das Stehenbleiben. Es begann beim Bummeln über die Kaufinger Straße. Es war voll in der City und alle Menschen schienen den gleichen Weg zu haben wie ich. Von oben betrachtet muss es wie eine Herde Lemminge ausgesehen haben, die sich unaufhaltsam der Klippe zum Runterstürzen näherten. In diesen Gedanken gefangen, lief ich mit meiner Schrittgeschwindigkeit von 5 km/h in eine Dame hinein, die urplötzlich vor mir stehen blieb. Ohne ersichtlichen Grund. Ich entschuldigte mich artig und höflich mit dem Wissen, dass ich nicht aufgepasst hatte und ging meinen Weg weiter im Strom der Wühlmäuse. Mit stakkato-artigem Schritt in Richtung Kaufhaus, schnell eine Besorgung machen. Hinein durch die Tür und es ereignete sich der nächste Aufprall. Eine Mutter mit drei Kindern schritt vor mir in das Gebäude und schaffte es nicht in einem Zug den leicht warmen Luftzug von unten aus dem Gitternetz zu überwinden. Das Quartett stürmte quasi in den Laden, um sofort nach der Tür stehen zu bleiben. Ich habe das Kind Gottseidank noch auffangen können bevor es fiel. Doch die Gefahren lauern noch an vielen andern Stellen im Leben. Meine Besorgungslust zog mich Richtung Rolltreppe. Ein sicheres Pflaster, wenn es ums Stehen bleiben geht. Denn die Regel „rechts stehen, links gehen“ scheint keiner mehr zu kennen. Schade eigentlich, aber das ist nur ein kleiner Aspekt am Rande. Ich rolle also gemütlich die Treppe herauf, vor mir ein händchenhaltendes Pärchen. Am Ende der Rolltreppe kam es fast wieder zum Aufprall, in dem Moment, wo mich die Rolltreppe aus ihrer Laufband ausspuckte. Das Pärchen machte direkt am Ende der rollenden Stufen platzraubend Pause, glotzte, stierte und studierten gleich beim Eintritt zu Etage zwei die feilgebotenen Waren. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Ist es ein evolutionäres Überbleibsel, dass der Jäger vor dem Wechsel in eine neue Umgebung Obacht vor Feinden gibt? Ist es die innere Zerrissenheit: Wo ist der Weg, wo will ich hin und will da auch meine Begleitung hin? Ist es „Input-Overflow“ von Farben, Gerüchen, Mitmenschen oder Staubkörner? Oder ist es einfach eine gewisse Sturheit und Egomanie? Nein, es ist bestimmt das Bedürfnis nach Liebe, nach Nähe, der Wunsch nach Umarmung, denn wir haben unsere Mitmenschen lieb und es ist uns gar nicht egal, dass es auch andere Leute auf der Welt gibt, die ggf. andere Pläne haben. Fühlen Sie sich umarmt!
Bild: schemmi  / pixelio.de

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